Hannes und Paul
Liebesgeschichte zweier Jungen anno 1943
In ihrem Stück "Hannes und Paul" nähert sich Elke Schweiger auf besondere Art und Weise den Themen Leben zur NS-Zeit und Leben mit der Schuld. Eine Geschichte über die erste Liebe von Elke Schmidt, inspiriert durch „Pyramus und Thisbe“ von Ovid.
Die Liebesgeschichte zweier Jugendlicher im Deutschland der 40er Jahre …
Die Geschichte unserer Großmütter und Großväter …
Eine Geschichte die hätte geschehen können, aber nie geschehen ist.
Eine Geschichte, die heute nicht möglich wäre, oder doch ?
Sie erzählt die Liebesgeschichte zweier 16-Jähriger Jungen anno 1943 – frei nach “Pyramus und Thisbe“ von Ovid. Die Tragödie endet mit dem Tod der Liebenden, der zurückbleibenden Mutter und der Erkenntnis der eigenen Schuld. In einem Artikel zum Stück berichtete die Puppenspielerin des Seifenblasen Figurentheaters über die Reaktionen von Veranstaltern auf die Thematik ihres Stückes. Von Begeisterung bis Ablehnung können diese bestenfalls als "vielfältig" bezeichnet werden. Im Figurentheater Lübeck war die Inszenierung im April 2014 im Rahmen unserer Serie Propaganda, Überleben Widerstand zu sehen.
Elke Schweiger über ihre Inszenierung "Hannes und Paul":
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1943, Bombennacht in einer deutschen Stadt.
Eine Frau sitzt allein in ihrer Küche. Sie hat gerade ihren Sohn verloren, nicht an den Krieg. Hannes tötete sich selbst – mit 16! Während sie so dasitzt und grübelt, einen Pappkarton auf ihrem Schoß, ertönt der Voralarm, das bedeutet: noch zwanzig Minuten Zeit bis zu einem erwarteten schweren Luftangriff. Die Frau hört den Alarm nicht. Sie packt den Karton aus und Stück für Stück kommen Erinnerungen an ihren Sohn hoch.
Sie sieht Hannes als weinendes Baby und wie sein Vater – Soldat und überzeugter Anhänger des aufstrebenden Nationalsozialismus – sie daran hindert, ihr Baby zu trösten, denn »ein Deutscher Junge muss hart werden!« Sie sieht noch einmal die Begeisterung ihres in- zwischen 6-Jährigen, geschürt von der Euphorie des Vaters, als an- lässlich der Machtergreifung Tausende von Kindern in Braunhemden singend durch die Straßen marschieren, sie sieht Hannes im Alter von 10 Jahren als »Pimpf«, und schließlich sieht sie ihn auch als Jugendlichen in sein Schicksal laufen.
Das beginnt in der Schule im Lateinunterricht. Hannes ist inzwischen 15 Jahre alt und muss sich mit »Pyramus und Thisbe« aus den Metamorphosen von Ovid herumschlagen. Damit die Jungen Zu- gang zur lateinischen Poesie finden, sollen sie die Geschichte als Schauspiel einstudieren, Hannes spielt Thisbe und sein Freund Paul, mit dem er schon zeit seines Lebens befreundet ist, spielt Pyramus. Durch die Proben – vielleicht auch einfach nur gleichzeitig, wer weiß das schon? – merken die beiden Jungen, dass da mehr als Freundschaft zwischen ihnen wächst, und plötzlich beginnen ihr Leben und ihr Spiel sich miteinander zu verflechten.
Genau wie die Protagonisten in dem Gedicht müssen sie ihre Liebe geheim halten – im Nationalsozialismus Homosexualität zu leben ist völlig unmöglich!
Von Hannes Vater wissen sie, was mit Homosexuellen geschieht: KZ oder Zwangssterilisation oder gar beides – Hannes Vater macht keinen Hehl daraus, dass für ihn das Letztere das einzig Richtige ist. Diese Aussichten schockieren Paul dermaßen, dass er schwört, sich umzubringen, sollte er je als »Homo« denunziert werden.
Eines Tages erwischt Hannes Mutter die beiden tatsächlich in flagranti und zeigt Paul an, der ihrer Meinung nach Hannes »verhext« hat, denn ihr Sohn kann und soll und darf nicht schwul sein!
Hannes, überzeugt davon, dass Paul sich wirklich umbringt, kann den Gedanken nicht ertragen, ohne den Freund weiter zu leben und wirft sich unter einen Zug. Paul ist aber nicht tot, findet den toten Freund und ersticht sich aus Verzweiflung und Schuldgefühl. So verschmilzt auch das Ende der beiden Jungen mit dem Ende der Geschichte von »Pyramus und Thisbe«.
Als schließlich der Hauptalarm ertönt und Hannes Mutter endlich klar sehen kann, was sie so lange verdrängt hat, erkennt sie auch ihre eigene Rolle in dieser Tragödie. Und ihre Schuld ...
„Ein Edelstein des Puppenspiels …“
„Ein Abend der sich tief einprägt …“
Die Figur Hannes aus "Hannes und Paul" haben wir in unseren Neuigkeiten bereits einmal als Objekt der Woche vorgestellt. Erfahren Sie hier mehr über die Besonderheit von Hannes: Objekt der Woche - Hannes.
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