Objekt der Woche: Der Garuda-Vogel

Der Garuda-Vogel – hier in Form einer Öllampe für Schattentheater

Der Garuda-Vogel 

Wer bis Ende 2017 in unserer Ausstellung den Raum mit den asiatischen Figuren besuchte, konnte zwischen riesigen, indischen Schattenfiguren auf der einen Seite und den Wayang Kulit-Figuren aus Indonesien auf der anderen Seite auch eine wunderschöne, von der Decke hängende Öllampe in Form eines Vogels bewundern. 

Öllampen illuminierten so manches Schattenspiel, und die Puppenspieler wussten sehr gut, besondere Effekte mit dem offenen Licht zu erzeugen. Ein wenig Sand wurde in die Flamme geworfen, und schon zuckte und flackerte das Licht, und das Schattenspiel bekam eine ganz besondere Atmosphäre. Doch der Vogel ist ein besonderer…  

Der Garuda-Vogel ist das Reittier von Vishnu und der unbarmherzige Gegner der Nagas, der Schlangenwesen. Toll gestaltet ist auch die Wayang-Kulit-Schatten-Figur, die den Garuda-Vogel darstellt, der gegen Nagas kämpft. Apropos Nagas: Harry Potter-Fans erinnern sich an Nagini, die Schlange Lord Voldemorts. Die Autorin Joanne K. Rowling hat den Namen Nagini  für die angsteinflößende, große und bösartige Schlange dem Sanskrit entlehnt.  

 Was hat es mit dem Konflikt zwischen Vogel und Schlangen denn auf sich? 

Der Garuda-Vogel im Kampf mit einer Naga-Schlange

Ein kurzer Ausflug in die indische Mythologie: 

Der Vater des Garuda-Vogels war kein geringerer als der Schöpfergott. Die Mutter war Vinata, der Himmel. Doch aus Wut darüber, dass der Schöpfergott mit einer anderen Frau, Kadru, der Erde, eine große Zahl an Nachfahren, nämlich Schlangen - genannt Nagas - zeugte, zerstörte Vinata, die nur drei Eier gebar, das erste Ei. Es entstand der Blitz!  

Auch das zweite ihrer drei Eier zerstörte sie. Das Wesen, das aus diesem Ei hervorkam, war Aruna, Verkörperung der Morgendämmerung und Wagenlenker des Sonnengottes Surya, der wegen seiner unterbrochenen Entwicklung im Ei keine Beine hatte. Er haderte wegen seiner Gestalt mit der Mutter und verfluchte sie. Vinata, der Himmel, musste fortan als Sklavin ihrer Konkurrentin Kadru, also der Erde, dienen.  

Aber das Wesen aus dem dritten Ei Vinatas konnte sich ungestört entwickeln und es schlüpfte der einem Adler ähnliche, mächtige Garuda-Vogel. Um seine Mutter aus der Sklaverei zu befreien, musste er den Göttern ein Unsterblichkeitselixier stehlen. Das war der Preis, den die Nagas, Kadrus viele Nachkommen, für die Freilassung Vinatas verlangten. Es gelang ihm! Aber seit dem Tag waren der Garuda-Vogel und die Nagas Feinde.    

Die Arbeit mit den Exponaten zeigt: eine Öllampe in Form eines Vogels ist mehr als nur eine Lampe. Es ist immer die Geschichte dahinter, die unsere Arbeit so spannend macht.