In den Jahren 2016, 2018 und 2020 stellten Antonia Napp, Silke Technau und Stephan Schlafke in der Vortragsreihe der VHS in der Hanse-Residenz unsere Institutionen an verschiedenen Themen vor: „Verborgene Schätze“, „Tri-tra-trullala...aus der Geschichte des Kasperletheaters“ und „Die Poesie der Theaterfigur“.
Anlässlich des letzten Vortrags kam es zu einem Interview mit der Redakteurin der Zeitschrift der Hanse-Residenz Frau Katzbach. Der folgende Beitrag erschien im Residenz-Boten:
„Renovierst du noch oder spielst du schon?“ Diese Frage stellt sich bereits deutlich länger als geplant im Figurentheater Lübeck inmitten der Altstadt. In den 400 Jahre alten Kaufmannshäusern am Kolk ist ordentlich was los. Die langjährige Heimat des Theaters und benachbarten TheaterFigurenMuseums bekommt ein völlig neues Gewandt. Noch drei Jahre soll hier, Stück für Stück, das neue Reich der Marionetten und Handpuppen entstehen.Ge- plant ist ein Zusammenfließen von Museum und Theater mit einem gemeinsamen Haupteingang, damit die Symbiose der beiden Häuser endlich zu 100% spür- und sichtbar wird. Ein neuer Meilenstein für unsere Hansestadt, der in dieser Form sonst nicht zu finden ist.
Der Bau erweist sich als Wundertüte. Hier wird entkernt, renoviert, entdeckt und gestaunt, alles in regem Wechsel. Nach Abtragen diverser Schichten an den Wänden der Räume kommt Gegensätzliches im wahrsten Sinne ans Licht. Zum einen die Erkenntnis, dass die Wände viel maroder sind als gedacht, zu anderen werden historisch wertvolle Malereien aus verschiedenen Jahrhunderten sichtbar. Sie müssen gesichert werden, um die Abrissarbeiten unbeschadet zu überstehen. Grundsätzlich gilt: Was denkmalgeschützt ist, bleibt, alles andere ist neu und modern geplant. Ein besonderes Highlight: Ein unterirdischer Durchgang soll die bis jetzt getrennt voneinander bestehenden Häuser miteinander verbinden.
Geschäftsführer, Architekten und Bauleiter arbeiten eng zusammen und begleiten jeden einzelnen Schritt des Projektes. Die kleinen, engen Gassen in Lübeck Altstadt machen den Umbau zu einer besonderen Herausforderung. Schweres Gerät hat hier keinen Platz, viele Arbeitsschritte müssen in Handarbeit ausgeführt werden und sind damit zeitintensiv.
Stephan Schlafke, künstlerischer Leiter des Theaters, sieht jedem Tag gespannt entgegen. „Wenn wir wieder spielen dürfen, überbrücken wir die Zeit des Umbaus mit Gastspielen in Räumen des Europäischen Hansemuseums, so können wir einen Teil der Vorstellungen auch weiterhin umsetzen.“, erzählt der gebürtige Berliner, der mit seiner Frau, Theaterwissenschaftlerin Silke Technau, vor 13 Jahren in die Hansestadt kam. Die mobile Bühne ist ihm nicht fremd. 30 Jahre lang reiste er umher und spielte seine Stücke an unterschiedlichen Orten. Doch irgendwann entstand der Wunsch nach einem festen Theater. Das Ehe- paar hörte sich um und bekam Angebote aus Niederbayern, von der Mosel und Lübeck. Die Hansestadt hat beide von Anfang an überzeugt und die Begeisterung hält bis heute an.
„Endlich sesshaft zu werden nach so vielen Jahren der mobilen Bühne, das war schon verlockend. Wenn der Tag nicht mehr zu 70% aus Auf- und Abbau an verschiedensten Orten be- steht, bleibt mehr Zeit für andere Dinge.“ sagt Stephan Schlafke. Und da gab es damals eine ganze Menge. Das Theaterprogramm, bis dahin bekannt für seine Marionetten, war reif für etwas mehr Vielfalt. Der Anspruch der Zuschauer hatte sich verändert, andere Arten der Vorstellung waren entstanden und wurden zurecht erwartet. „Durch unsere regelmäßigen Reisen durch Deutschland sind wir gut informiert über das Portfolio auf den Bühnen. Die Menschen sind neugierig und fordernd, sie wollen unterhalten werden, immer wieder neu.“ sagt Silke Technau, der besonders die Dramaturgie eines Stückes am Herzen liegt. „Die Zuschauer wollen Emotionen. Sie wollen sich an die Puppe heften und mit ihr zusammen durch das Stück gehen. Ob Freude, Ärger, Liebe, wenn das emotionale Leiten des Publikums durch eine Aufführung gelingt, hat man die Menschen für sich gewonnen.“
Die ersten fünf Jahre hieß es: Durchhalten! Das Image des Hauses von einem reinen Marionettentheater zu einem Haus mit größerem Radius auszuweiten, hat gedauert - und funktioniert! Das heutige Programm, im Mix aus Marionetten und direkt gespielten Figuren mit Handpuppen, wird sehr gut angenommen. Gerade die Abendvorstellungen sind gut be- sucht, auch auf der Interimsbühne im Europäischen Hansemuseum. Die dortige Direktorin Dr. Felicia Sternfeld kennt sich gut aus, war sie schließlich vor ihrer Zeit im Museum Direktorin im TheaterFigurenMuseum. Doch nicht nur aus alter Verbundenheit sondern auch aus Überzeugung bietet sie den Puppenspielern Raum für Vorführungen, so dass die Protagonisten der Stücke nicht noch drei Jahre ihren Dornröschenschlaf in Aufbewahrungsboxen fristen müssen.
„Qualität und Vielfalt ist wichtig!“ findet Stephan Schlafke und genau davon soll es nach Fertigstellung des Baus mehr geben: Durch die geplante Kombination von Bühne und Museum entsteht Raum für Hintergrundwissen. Exponate können passend zu den Stücken aus- gestellt werden, Texte geben Informationen zu dargestellten Szenen, der Besucher verbindet ganz automatisch Spaß mit Bildung. Im Fundus des Museums befinden sich rund 20.000 Exponate, nur ein Bruchteil davon findet Platz in der Ausstellung. Museumsleiterin Dr. Antonia Napp überlegt schon jetzt, welche Stücke als erstes ihren Platz in den Vitrinen finden sollen. Um diese Vielfalt abzubilden, wird es regelmäßig wechselnde Ausstellungen geben, so dass auch bei häufigeren Besuchen immer Neues entdeckt werden kann. Hoffentlich im Frühjahr 2023, wenn das Großprojekt Umbau erfolgreich überstanden und geglückt ist.
„Es ist eine Zeit, die spannend und wertvoll ist, gleichzeitig kostet sie Kraft und Nerven. Und doch sind wir uns alle einig, ganz klar überwiegt das Gefühl der Vorfreude auf etwas Neues, Großes hier in Lübeck, das die Stadt ein weiteres Mal bereichern und attraktiver machen wird.“