10 Fragen an die Geschichtenerzählerin Lidwina Wurth

Folge zwei unserer Reihe "Zehn Fragen an..". Diesmal mit der Geschichtenerzählerin Lidwina Wurth als Piratin im KOLK 17 Figurentheater & Museum

Geschichtenerzählerin Lidwina Wurth

KOLK 17: Liebe Lidwina, im Dezember ist es drei Jahre her, dass Du unsere Gäste als Piratin im Taschenlampenlicht zum letzten Mal durch unser Museum geführt hast. An welchem Projekt arbeitest Du momentan? 

Also, im Moment kann ich nicht so viel auftreten, weil ich Corona bedingt als Sängerin nicht singen darf. Es gibt diese Hygieneregeln und ein Auftritt darf eben nur in sehr großen Räumen mit sehr weinig Publikum stattfinden. Deswegen arbeite ich an kleinen Formaten zum Beispiel an einer Lesung mit Begleitung eines Lautenisten. Dies teilweise mit sehr alten Instrumenten, so auch einer arabischen Oud, einem Banjo oder einer Barockgitarre.  

Präsentiert werden kleine Prosaminiaturen des spanischen Dichters, Juan Ramón Jiménez, mit dem Titel „Platero und ich“, eine Geschichte zwischen einem Esel und einem Menschen untermalt von der Lautenbegleitung. Außerdem singe ich spanische Lieder zwischen den kleinen Texten. Es ist leider noch nicht ganz klar, wann es das erste Mal stattfinden wird. Wir sind eben noch auf der Suche nach Räumen, wo es auch mit einem kleinen Publikum eben erstmal möglich ist. 

Eine andere Sache, die man auf jeden Fall sehen kann, wird im Theater „Combinale“ sein… Ein Weihnachtsstück dieses Jahr, „Der Messias“  

KOLK 17: Es ist zwar schon sechs Jahre her, aber gewiss erinnerst Du Dich: Wie war Deine erste Taschenlampenführung bei uns im Herbst 2014 für Dich?

Ja! Klar, erinnere ich mich! Das war sehr, sehr aufregend. Auf jeden Fall, weil es dunkel war! Es war ungewohnt und ich hatte wirklich Angst vor diesen Figuren. Ganz klar, weil deren Augen doch recht furchteinflößend sind und ich hatte natürlich Geräusche gehört! Ich war ganz allein da im Dunkeln, ich hörte Geräusche und war mir sicher, dass die Puppen sich bewegen! Ich wartete auf das Publikum, das ich schon hörte, welches mich aber nicht sehen durfte. Dieser Moment war wirklich sehr aufregend!

KOLK 17: Kanntest Du KOLK 17 Figurentheater & Museum schon vorher?

Ich kannte es nur von außen. Ich habe an der Musikhochschule, die um die Ecke ist, Gesang studiert und ich bin natürlich oft vorbeigelaufen, war aber nie drinnen und habe dann diese Figuren und diese ganze Welt durch Sascha Mink, den Regisseur, und Euch erst kennen gelernt.

KOLK 17: In die Geschichte des Hausgeistes, Jacqueline Dotterbart, eingebettet, hast Du den Besuchern viel Wissenswertes über unsere Figuren erzählt. Welches Wissen über welche Figur hat Dich selbst am meisten überrascht?

Ich glaube, da war einiges… unter anderem war es das Bunraku-Theater, wo es eine sehr lange Ausbildung braucht, um es überhaupt spielen zu dürfen. Drei Jahre lang darf der angehende Spieler nur die Beine führen, dann drei Jahre lang den linken Arm und erst danach den Kopf und den rechten Arm. Was für eine Tradition!  

Oder mir fällt ein, dass die indische Figur der Sita so dick angezogen ist. Sie wurde nie entkleidet, sondern von den nachfolgenden Spielergeneration mit immer neuen Kleiderschichten versehen. Dieser Respekt vor der Figur ist faszinierend!

KOLK 17: Welche Figur bzw. welcher Charakter aus der Welt der Theaterfiguren gefällt Dir persönlich am besten?

Klar, der Kasper! Natürlich der Kasper in allen Variationen, in allen Ländern! Weil ich selbst gerne Spaß mache, weil ich gerne dem Publikum Spaß bringe und gerne als Clown einfach den Leuten Freude bereite.

KOLK 17: Du hast das Publikum auf charmante Art und Weise in Deine Piraten-Hausgeist-Rolle mit einbezogen. Natürlich verhielten sich die animierten Besucherinnen und Besucher alle unterschiedlich und Du hast wie in einem Impro-Theater reagieren müssen… Also trotz der eingeübten Geschichte war keine Taschenlampenführung wie die andere. Hattest Du vor den Aufführungen so etwas wie Lampenfieber?

Ja! Immer! Jedes Mal! Ich erinnere mich auch, dass ich eine Woche vor der Aufführung die Texte innerlich durchging, dies immer und immer wieder, weil ich wusste, dass ich unterbrochen werde. Ich wurde vom Publikum mit Fragen unterbrochen. Meine Rolle war nicht einfach nur so ein Monolog und jede Vorstellung, jede Führung war anders. Und das war auch das Spannende daran, dass man ständig mit Fragen gelöchert wurde, auf die man dann eine echte Antwort wissen oder sich eine Antwort ausdenken musste, denn als Hausgeist musste ich ja alles wissen: Wie alt eine Figur ist? Woher sie kommt oder aus was für einem Material sie ist… Das war immer aufregend und die Fragen konnten einen auch total aus dem Konzept bringen.

KOLK 17: Gibt es eine Taschenlampenführung, die Dir besonders gefallen hat und in Erinnerung geblieben ist?

Mir ist in Erinnerung geblieben, dass ein Kind, als ich nach einem Lieblingslied fragte, sich wirklich einfach traute von 20, 30 Leuten einfach zu sagen: „Ja! Ich hab eins!“ und sein Piraten-Lieblingslied mir ganz allein vor allen anderen vorsang! Das fand ich sehr rührend!  

Eine Sache war auch sehr lustig: Am Schluss stellte ich immer diese Forderung nach einem Geschenk, um das Publikum zu erlösen, damit die Gäste wieder herausdurften. 

Ein Kind schenkte mir sein Kaugummi. Das Kind suchte fieberhaft in seinen Taschen nach etwas und nahm aus seinem Mund das Kaugummi. In der heutigen Zeit -wegen Corona- würde ich es natürlich nicht machen, aber damals steckte ich das Kaugummi in meinen Mund. Das war so lieb, das war so süß, das Kind war noch sehr klein und es schenkte mir voller Ehrfurcht dieses Kaugummi! 

KOLK 17: Du hast eine klassische Gesangsausbildung und unterrichtest Gesang an der Musik- und Kunstschule Lübeck. Bei den Taschenlampenführungen musstest Du abwechselnd singen, sprechen und wissenswertes über die Figuren erzählen! Was davon macht Dir am meisten Spaß?

Es ist der Mix! Der Mix aus allem und das “Spontan-sein-können”, das Impro-Theater. Dass Abholen der Leute, da wo sie sind. Zu schauen, wie die Stimmung ist, wie viele Kinder, wie viele Erwachsene, wie singen die Besucher mit, wie hören sie zu? Das fand ich sehr spannend! Wenn alle mitsangen, war das natürlich ganz toll! Aber auch wenn sie ganz, ganz still waren, weil eine ganz gruselige Geschichte von der Voodoo-Puppe erzählt wurde, wie fasziniert alle dann zuhörten, so als hätte man alle wie an einem Faden und im eigenen Bann. Das war sehr schön!

KOLK 17: Die niedrigen Temperaturen in unseren alten Häusern waren in der kalten Jahreszeit sicherlich eine Herausforderung! Erinnerst Du noch, wie heiß es zuging, als Du in die Rolle des Sams‘ geschlüpft bist? In einem echten Taucheranzug hast Du als Sams die Kinder verzaubert, um Dich dann in Windeseile umzuziehen und als Herr Taschenbier daherzukommen. Wie hat Dir diese Rolle gefallen?

Das war super, ganz toll! Die Nase, ich liebe die Schweinenase immer noch! Aufregend und auch anstrengend, weil es in dem Taucheranzug sehr heiß war. Ich bekam im Sommer kaum Luft!  Mit den Flossen war es schwierig, die Treppen in dem wunderbar engen Haus zu laufen. Der Umzug von Taschenbier zum Sams musste ja rasend schnell gehen. Innerhalb von einer bzw. zwei Minuten! Dies unbemerkt von den Zuschauern. Das war die Herausforderung, in einer Ecke zu verschwinden, sich umzuziehen und danach sofort als zum Beispiel Herr Taschenbier zu erscheinen. Das Faszinierende daran, die meisten Kinder merkten nicht, dass ich beide war und sie wirklich zum Herrn Taschenbier sagten: „Da ist das Sams hingerannt! Wo ist das Sams? Komm! Wir suchen das Sams!“ Ich fand es einfach toll, dass sie wirklich nicht gemerkt hatten, dass ich Herr Taschenbier und das Sams in einem bin!

KOLK 17: Wenn Dich das Sams mit drei Wunschpunkten besuchen würde, welche Wünsche würdest Du ihm nennen? Achtung, bitte richtig wünschen!

Das ist schwierig! Komischerweise denkt man, man hat so viele Wünsche. Aber wenn man nur drei Wünsche hat, dann… Im Moment würde ich als erstes sagen, dass ich gerne wieder Normalität hätte! Normalität als Sängerin!  Mich einfach wieder frei bewegen zu können und in meinem Beruf wieder singen zu können, wäre der erste Wunsch! 

Der zweite ist ganz klar Gesundheit für meine Freunde, meine Familie, für mich. Das wäre ein ganz wichtiger Wunsch! 

Als drittes wünsche ich mir natürlich, dass das Museum schnell öffnet! Und dass ich als irgendeine Art Geist oder in einer Form wie auch immer wieder im Museum erscheine! Darüber würde ich mich sehr, sehr freuen! 

Herzlichen Dank!