The Voice of Puppetry – Sonderausstellung im Museum für PuppentheaterKultur

Dem PuK ist 2019 einmal wieder eine ungewöhnliche und interessante Ausstellung gelungen! Wegen der coronabedingten Schließungen wird The Voice of Puppetry bis 30.12.2020 verlängert und nach und nach nun auch noch erweitert.  

In der Ausstellung werden markante oder berühmte Sprecherinnen präsentiert: Schauspielerinnen, Synchronsprecherinnen und natürlich Puppenspielerinnen.brDurch Fotos und die zu den Exponaten dazugehörigen thematischen Beschreibungen erhalten die z.T. wahrscheinlich wohlbekannten Stimmen plötzlich auch ein Gesicht gleich neben dem Gesicht der Figur, der sie ihre stimmliche Interpretation liehen.

Ungewöhnlich ist die Wahrnehmung der Stimmen längst Verstorbener, wenn sie aus einem Vorstellungszusammenhang genommen hörbar sind und man sich jetzt einen lebendigen Menschen aus den ausgestellten Fotos dazu denken kann.

Die ältesten ›ausgestellten‹ Stimmen sind aus den Spejbl-und-Hurvínek-Inszenierungen, die es seit den 20er-Jahren bis heute gibt. Da spricht Josef Skupa (1892–1957), der Erfinder der beiden, sein Nachfolger Miloš Kirschner (1927–1996) sprach beide in 17 Sprachen auf den unzähligen int. Tourneen; heute ist der Sprecher Martin Klásek (geb. 1957). Helena Štáchová (1944–2019) charakterisierte Mánička stimmlich markant. Seit 2016 wird diese Rolle von Marie Šimsová gesprochen.

Karl Walter Diess (1928-2014) prägte den Kasperl des Salzburger Marionettentheaters.brAlbrecht Roser (1922-2011) schwäbelt grandios mit seiner Großmutter, die auf den internationalen Tourneen stets in der jeweiligen Landessprache häkelte; das hatte Roser, dessen Programm sonst ohne Sprache war, sich nicht nehmen lassen.brAuch fehlt die sonore Stimme des im traditionellen Handpuppenspiel bewanderten Solo-Publikspielers Walter Büttner (1907-1990) nicht: Seine bis zuletzt sehr beliebte Faustinszenierung ist eindrucksvoll noch einmal zu hören.brDurch Hörfunk und später Fernsehen bekamen die Sprecher:innen besondere Popularität. Hat man als jüngerer Zuschauer je danach gefragt, was oder wen man da so gern hörte, so gut kannte?brHinter Jim Knopfs Stimme z.B. verbirgt sich Winfried Küppers, der bis heute auch für das Düsseldorfer Marionettentheater in Playbackaufnahmen mitwirkt. Käptn Blaubär spricht mit der Stimme von Wolfgang Völz, Urmel meldet sich mit der Stimme von Max Rößl (1925-1973) zu Wort. Wolf Buresch ist wieder zu hören mit seinem Hasen Cäsar. „Die Hohnsteiner“ sind mit Schallplattenaufnahmen aus den 60er Jahren dabei, die mit einer der damals populären Musikboxen heute in dieser Ausstellung wählbar und abspielbar sind.

Benita Steinmann (1940-1996), hier als Sprecherin von Herrn von Bödefeld aus der Sesamstraße, den Peter Röders 1983 entwickelte, vorgestellt, sprach, textete und spielte sehr gern und viel für das Fernsehen. Sie sagte immer: Wer eine Figur sprechen will, sollte sich mit ihrer Physiognomie, ihren Rhythmen und ihrem Wortschatz auseinandersetzen – eine handwerkliche Weisheit, die sich z.B. auch mit Walter Büttners ca. 70-jähriger traditioneller Berufserfahrung traf.

Liesel Simon in der Sonderausstellung The Voice of Puppetry im PuK

1923 wurde das Radio der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und war 1924 bereits ein Massenphänomen. Die Puppenspielerin Liesel Simon interessierte sich für das neue Medium. Geb. am 21.8.1887 wuchs Karoline Liesel Goldschmidt behütet in einer großen Fabrikantenfamilie auf, heiratete den Kaufmann Paul Simon und bekam zwei Söhne. Nach dem ersten Weltkrieg begann sie, sehr erfolgreich ihr Kasperletheater zu spielen. Sie inszenierte mit professionellen freien Mitarbeiterinnen und ging viel auf Tournee.

Darüber hinaus gestaltete sie für den SWRundfunk ab 1924 – wie auch später andere Autorinnen – Kindersendungen. Sie erfand die Rundfunkkasperlestunde, die ab 1927 regelmäßig jeden ersten Sonntag im Monat mit großem Erfolg ausgestrahlt wurde – live! Sie war Tante Liesel, die Kasperletante, die Märchentante; Kasper war ein erwachsener männlicher Sprecher, der manchmal recht kindlich wirkte und dann wieder abenteuerlustig und mutig. Die Rolle wurde in Grimm’s Märchen eingearbeitet, aber auch in selbstgeschriebene Stücke, in denen Kasperl z.B. auch mal den Polizisten überlistet oder mit einer Seifenblase über Städte, Dörfer und Wälder fliegt. Die Fanpost bezeugte, dass die Sendungen überaus erfolgreich waren und einige sogar auf Schellackplatten von Polydor/Deutsche Grammophon aufgenommen wurden.

1933 wurde sie als Jüdin aus dem gleichgeschalteten Deutschen Bund der Puppenspieler, in dessen Vorstand sie 1931 gewählt worden war, ausgeschlossen und erhielt Berufsverbot. Sie spielte weiter für den Jüdischen Kulturbund. Sie floh zu einem ihrer Söhne erst 1941 gerade noch nach Ecuador, wo sie am 23.5.1958 starb. Für die Familie wurden 2018 in Frankfurt Stolpersteine verlegt. Liesel Simons noch erhaltenen Unterlagen, Bühnenteile und Handpuppen befinden sich seit 2015 im Historischen Museum Frankfurt.