Silke Technau

Derek Meister | KOBALT Figurentheater Lübeck | Krimi | making of Rungholts Ehre | Mittelalter

Making of – RUNGHOLTS EHRE

Als wir d.h. Silke Technau und ich 2006 nach Lübeck zogen, bekamen wir von Freunden einen Kriminalroman mit Lübeck Bezug geschenkt. Dieser begleitete uns beim Kennenlernen der Altstadt. Als wir dann später Derek Meister bei einer Lesung in Lübeck ansprachen, war er bereit uns die Rechte an einem Theaterstück zugeben. Im September 2017 hatte “RUNGHOLTS EHRE” dann Premiere und Derek Meister war da. Eine große Freude und wir dankten für sein großes Vertrauen die Dramatisierung allein zu erstellen und um zu setzen ohne dass er Einfluss darauf nehmen wollte!  

Rungholts Ehre – Mittelalterkrimi

Stephan Schlafke 

Bernhard/Rungholt

Rungholt, ein bärbeißiger Kaufmann und der ungewöhnlichste Ermittler, den das Mittelalter  je gesehen hat: Mir als Autor ist Rungholt nicht erst durch seine mittlerweile fünf Abenteuer ans Herz gewachsen, sondern bereits in der Schaffungsphase zu »Rungholts Ehre«, dem ersten Roman. Ich wollte einen ungewöhnlichen Krimi schreiben, abtauchen in eine fremde Zeit, und bin nach ein wenig Recherche auf die Ära der Hanse und das wunderbare Lübeck gestoßen. Sofort hatte ich meinen Patrizier plastisch vor Augen und konnte mir beim Schreiben jeden Gang durch die Lübecker Gassen und Gänge genauestens vorstellen. Erst als der Roman beinahe fertig geschrieben war, stieß ich auf den Untergang des Kirchspiels Rungholt. Die Katastrophe passte perfekt in seine Vita.  Wie so oft beim Schreiben fügten  sich die Dinge auf magische Weise. Aus Bernhardt, wie er in den ersten Romanfassungen hieß, wurde Rungholt – der einzige Lübecker Ratsherr mit panischer Angst vor dem Wasser. Diese Figur nun leibhaftig  –  obwohl aus Holz, so doch aus Fleisch und Blut!  –  im Theater  zu sehen,  ist einfach phantastisch. Was mich am meisten begeistert, ist, wie Rungholt auf  der Bühne zum Leben erweckt wird und sich die spannenden,  aber vor allem auch  romantischen und magischen Momente dort im Scheinwerferlicht die Hand reichen. Das  Stück ist ein Muss für alle Rungholtfans und für alle, die ihn kennenlernen wollen. 

Derek Meister 

Ein Krimi im Figurentheater? 

Kann man für Erwachsene wirklich Krimispannung erzeugen – mit Humor, Tragödie, Drama, Bildern, Figuren? Kann man im Medium Figurentheater etwas finden, was ein Roman oder gar ein Film gar nicht könnten?    »Rungholts Ehre« als erster Band einer zur Zeit  

5-bändigen Krimiserie ist ein faszinierender Kriminalroman.  Der Plot, die Motive aller Beteiligten und das eindrucksvolle Ambiente der Örtlichkeit: die Lübecker Altstadt zum Ende des 14. Jahrhunderts  –  all das ergibt bei Derek Meister eine ausgesprochen explosive Mixtur. Das spätmittelalterliche Altstadtambiente ist ausgezeichnet recherchiert. Der Regen, der Schlamm, die Zahnschmerzen, das Treiben am Hafen, die unterschiedlichen Kleidungsstücke, die Standesunterschiede und Lebensumstände in den verschiedenen, recht sinnlich beschriebenen Stadtquartieren usw. – mit all diesen Versatzstücken bannt Derek Meister den Leser spielend.  Als Drehbuchautor ist er geübt in solchen Dingen; der Film (den man übrigens sofort drehen könnte) läuft mit üppigen Bildern sofort vor dem inneren Auge des Lesers ab. Es regnet oder gewittert oder gießt; der Wind heult um die Patrizierhäuser oder fegt durch die engen Gassen. Die Nacht ist stockfinster. Die Kälte kriecht durch die Knochen. Die geschilderten Typen sind zum Greifen nah. Es geht um genau zweieinhalb Tage – alle (natürlich auch der Leser) stehen unter einem ungeheuren Druck.  Dieses Buch möchte manb gar nicht weglegen! 

Stephan Schlafke

Was vermag da ›noch‹ das Figurentheater? 

Uns hat es Spaß gemacht zu erkennen, wie Derek Meister die Erzählperspektiven immer wieder mit Brüchen baut. Dramaturgisch entsteht eine Art rätselhafter Zopf aus mehreren Erzählsträngen. Zunächst ist ja alles für den Leser noch uneindeutig, fremd, misstrauisch machend. Und dann kamen unsere Fragen an die Figuren, die wunderbar typisiert sind. Wie gehen sie eigentlich selber mit Raum und Zeit um, verfolgen ihre Ziele, führen sich gegenseitig an der Nase herum? Und mit einem Mal wurde klar: Im Theater ist das Holstentor nicht so fest gemauert, sind die Bretterbuden, die Marienkirche, die Gassen nicht so klar durchschaubar festgelegt. Indem der Mörder damit spielt, erschafft er Labyrinthe, einen Hinterhalt, seine Verstecke, wenn die anderen noch ahnungslos umhertappen und meinen, ihre Stadt zu kennen. 

Wenn die Stadt keine Konstante ist, sondern in Bewegung gerät, eher ein Ausdruck innerer Vorgänge wird, dann ist auch die Skulptur einer Theaterfigur nicht an Boden, an Schwerkraft gebunden. Mit der Stockhandpuppe, geführt im freien Raum, wird jede Bewegung, jeder Gang zu einem inneren Vorgang, der begleitet wird von der eigenen Bodenlosigkeit dieser Figurenart. 

Was treibt sie an, welches sind ihre inneren Antriebskräfte, ihre inneren Vorgänge? Hier fanden wir unseren bildnerischen Ansatz. Innere Bilder, Alpträume, die Altstadtorte, Hoffnungen, Planungen und Schriftstücke werden mit Standbildern und Stop-Motion-Filmen auf fahrbare Paravents projiziert. Sie kommentieren das rasante, emotional heftige Geschehen der Figuren untereinander auf der Bühne und regen die Phantasie auf mehreren Ebenen an, mitzudenken und mitzuempfinden. Da fehlt es nicht an Spott, Blutrünstigkeit, hinterhältiger Politik, Lebenslust, genialer Intelligenz, Verzweiflung, Humor und Liebe! 

Ausgesprochen suggestive Musik, rätselhafte Geräusche und innige Lieder begleiten den Zuschauer durch diese Bildwelten zum guten Ende. 

Silke Technau

Die Gestalten im Dunklen

Wenn zu Beginn der Aufführung das Licht ausgeht, gibt es drei Gestalten, die im Setting des dunklen, mittelalterlichen Lübeck im wahrsten Sinne des Wortes die Lampe hochhalten. Für den Zuschauer stehen sie nicht im Vordergrund, fallen oft gar nicht weiter auf. Aber sie begleiten die Figuren in »Rungholts Ehre« sowie den Zuschauer durch die Ungewissheiten des Krimis und die alptraumhaften Räume der sich verschiebenden Stadt. 

Die Stadt 

In unserem Bühnen-Lübeck des Mittelalters gibt es keinen Fixpunkt. Die Projektion eröffnet und etabliert die Szenerie in und außerhalb der Stadt. Jede Szene formt sich neu in 

Bildern oder kurzen Filmsequenzen. Danach löst sich alles auf, ein neuer Ort entsteht, die Bühne verändert sich ständig durch verschiebbare, gleitende Paravents. Die Projektion abstrahiert, sie historisiert nicht. Hier wird moderne Intensität der historischen Kulisse vorgezogen. Die Atmosphäre aus dem Gewirr der Gassen, in dem die Figuren herumirren, bietet keinen Anhaltspunkt, vermittelt das Gefühl, man könnte so leicht verloren gehen. 

Die Gaukler 

Auf einer Bühne dieser Art sind die drei Spieler:innen offen präsent, man sieht sie Paravents schieben und mit den Figuren agieren. Sie hierbei nicht nur als diffuse Gestalten zu zeigen oder die Gedanken der Figuren spiegeln zulassen sondern ihnen eigene Charaktere zu geben, war eine bewusste Wahl. Es wird eine Zwischen-Instanz geschaffen, eine Ebene zwischen den Figuren und den Spieler:innen. In »Rungholts Ehre« sind die Spieler:innen Gaukler. Sie haben eigene Charaktere und bewegen sich eigenständig durch das mittelalterliche Lübeck. Hier und da etablieren sie die Szenerie durch ihren Kommentar. 

Die Gaukler sind den Figuren im Bühnengeschehen stärker verbunden. Sie können unterstützen oder beraten, können die guten Geister im Hintergrund sein und gelegentlich auch stellvertretend für die Figuren Aufgaben übernehmen und Gedanken entwickeln. Manchmal zaubern sie aus dem Nichts ein Schiff hervor oder helfen mit, sich zu verkleiden. Sie stecken ihre Nasen in die Indizien, unterstützen Rungholt beim Ermitteln oder kommentieren die Situation. So werden die Gaukler den Figuren wie Kollegen, Verbündete. 

Janina Reinsbach 

Rungholts Ehre Making of: 

Neugierig geworden? Hier geht es zum Trailer der Inszenierung von Rungholts Ehre

Roman von Derek Meister erschienen beim Blanvalet Verlag 
REGIE: Dietmar Staskowiak 
REGIEASSISTENZ: Janina Reinsbach 
SPIEL: Silke Technau, Franziska Technau, Stephan Schlafke 
GESANGSEINSTUDIERUNG: Dieter Müller 
AUSSTATTUNG: Michaela Bartonova, Denise Sheila Puri, Kilian Kreuzinger, Silke Technau, Stephan Schlafke, 
Rechte beim Autor c/o Thomas Schlück GmbH/Hannover 

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