Ausstellung Who’s Talking?
Sechs künstlerische Blicke auf die Sammlung KOLK 17
Alle audiovisuellen Kunstwerke werden in der virtuellen Ausstellung „Who’s Talking?“ präsentiert. Die Ausstellungseröffnung fand am 31. Juli 2021 statt. Ab April 2022 wird es ein Rahmenprogramm mit digitaler Bühne geben.
Perspektivwechsel auf Provenienz
Vom Ältestenrat der Figuren, über das Ausmisten kolonialer Vorratsschränke bis hin zum Besuch eines reumütigen Diktators. Das Projekt „Who’s Talking – Perspektivwechsel auf Provenienz“ öffnet die Türen für eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Sammlung KOLK17. Sechs Künstler:innen aus afrikanischen, asiatischen und europäischen Ländern richten ihren Blick auf die Sammlung und entwickeln ihre persönliche Antwort auf selbst ausgewählte Figuren. Die Kunstwerke, die daraus entstehen, werden in einer virtuellen Ausstellung ausgestellt. Die immer wiederkehrende Frage dabei: Wer hat das Sagen?
Wissen stiften, ohne Geheimnisse zu lüften

Foto: KOLK 17
Die Sammlung KOLK 17 umfasst über 20.000 Exponate aus Europa, Asien und Afrika und birgt damit zahlreiche Geheimnisse und Geschichten. Die Frage, wo einzelne Figuren herkommen und welche Stationen sie auf ihrem Weg ins Museum zurückgelegt haben, lässt sich in vielen Fällen nicht endgültig beantworten.
Und wenn Antworten gefunden werden, was sind dann die Konsequenzen?
Parallel zur künstlerischen Auseinandersetzung werden Wissenschaftler:innen hinzugezogen, um mit ihrer Expertise einige der Wissenslücken zu schließen. Eine wesentliche Rolle spielt die Frage nach dem kulturellen Kontext, aus dem die verschiedenen Figuren ursprünglich stammen. Dieser beinhaltet weitaus mehr als nur den Herkunftsort. Dazu zählen auch die spezifische Spielweise, die Geschichten, die mit den Figuren erzählt wurden, sowie ihre Funktion.
Von den eingeladenen Künstler:innen setzen sich einige mit Exponaten aus ihren Herkunftsländern auseinander, andere machen mit ihrer Arbeit Vorschläge für künstlerische Umgangsweisen mit dem außereuropäischen Teil der Sammlung. Daraus entstehen sechs künstlerische Beiträge im Videoformat aus verschiedenen Blickwinkeln – eine Stimmenvielfalt, die im besten Falle neues Wissen schafft.
Ein Wissen, das Geheimnisse hervorholt, ohne sie zu lüften.
Das Projekt wird gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – #TakeNote.

who is TALKING?
Ausstellungseröffnung
und Symposium fanden vom
30. Juli – 01. August 2021 statt
Ausstellungseröffnung
und Symposium fanden vom
30. Juli – 01. August 2021 statt
the act of talking
Unter den involvierten Künstler:innen gibt es verschiedene Ansätze dazu, was Sprechen eigentlich bedeuten kann. Aber bei einem sind sich alle einig: Hinter dem Akt des Sprechens steckt mehr als nur die Verwendung verbaler Sprache. Ein Tanz, ein Kunstwerk, die Bewegung einer Marionette – all das sind Arten des Sprechens.
Für „Who’s talking?“ sind diese Formen des Sprechens entscheidend. Genauso wichtig wie die Frage, WER spricht, ist die Frage WIE gesprochen wird. Verbal über eine Figur zu sprechen, deren Herkunftsgeschichte nicht bekannt ist, bedeutet zunächst einmal, zu spekulieren. Übersetzt man diese Spekulation in künstlerische Medien wie Tanz oder Performance, ergeben sich neue Wissensräume.
Künstlerisch zu kommunizieren kann heißen, affektbasiert und nicht primär faktenorientiert zu arbeiten. Dennoch vertritt jedes Kunstwerk sein eigene Wahrheit. Dadurch können bestenfalls neue Ideen und Erkenntnisse entstehen – unter der Voraussetzung, dass dabei die wissenschaftliche Seite nicht ausgeblendet wird. Deswegen vereint das Projekt beide Ansätze unter einem gemeinsamen Themenfeld: Perspektivwechsel auf Provenienz.
WHO is talking?
Die Kunst sprechen lassen, das geht auf unzählige Arten und Weisen. Manche Künstler:innen arbeiten konzeptionell, andere intuitiv; manche legen Wert auf eine politische Botschaft, andere auf Poesie. Bei „Who’s talking?“ sind mit zwei Choreographinnen, einem Performancekünstler und drei Figurentheaterspieler:innen verschiedene Ansätze vertreten.
Çağlar Yiğitoğulları
Caglar Yigitogullari was born in Ankara / Turkey in 1977. After studying and graduating from the Acting school, he has been to Australia where he studied dance for two more years. In 2003 he went back to Turkey and started working for Istanbul City Theater. Because of the limited freedom and oppression in Turkey, in 2017 he fled to Germany with an Artist Visa. Foto: Gülay Ayyildiz
Shasha Li
Shasha Li is a Puppeteer, Director and Contemporary Puppetry Artist. Graduated from Shanghai Theatre Academy in 2011. In April 1, 2019, she founded “Puppeteer Studio”. Puppetry in China originated from Han and flourished in Tang Dynasty. It is a unique flower in China’s art circles. It has a long history, a wide variety and exquisite skills. „Puppeteer studio“ is committed to the research and promotion of traditional puppet art and culture and the exploration and creation of contemporary puppet art.
Yacouba Magassouba
Yacouba Magassouba, born in Mali in 1981, is a director, puppeteer and event technician. He was introduced to and trained in the art of puppetry by his grandfather and uncle. His work takes him on tours and festivals worldwide, including the Handspring Puppet Company’s play, ‚Tall Horse‘ which he was commissioned to market during its 2004 tour of South Africa and Germany.
Irina Demina
Irina Demina is a choreographer and dance artist, based in Berlin. Irina made her dance education in Moscow and Hamburg, graduated from Moscow State Lomonosov University (Faculty of Philology) and received Master degree in Choreography at Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin (HZT). Photo: © Martina Thalhofer
Momo Ekissi
Eugène Momo Ekissi is a playwright, actor, narrator, director, puppeteer and African musician. Originating from the Ivory Coast of West Africa, he moved some years ago to Germany taking up residence in the town of Freiburg where he lives and works. Photo: Momo Ekissi
Jessica Nupen
Jessica Nupen is a dancer, choreographer and director based in Germany. Born in Johannesburg to anti- apartheid activist parents, Nupen’s work is heavily inspired by her South African background and she has been named one of the top 100 most influential Africans in Germany. She is now on the advisory board for the University of Hamburg (Post) Colonial Studies. Foto: Steve Thomas Photography
Nicht nur künstlerische Stimmen werden bei „Who’s Talking?“ zu Wort – bzw. zur Figur – kommen. Auch mehrere Wissenschaftler:innen werden das Projekt mit ihrer Perspektive bereichern. Ihre Expertise ergänzt das Wissen, das die Künstler:innen mithilfe verschiedener Materialien und ihrem spezifischen Modus der Verkörperung erschaffen und ordnen. Die internationalen Beiträge werden bei einem Symposium am Eröffnungswochenende präsentiert, sodass sich interessante Wechselwirkungen zwischen künstlerischen und wissenschaftlichen Positionen ergeben können.
Robin Ruizendaal
Robin Ruizendaal was the director of the Taiyuan Asian Puppet Theatre Museum in Taipei from 2000 to 2020. He is currently working on the Asian theatre puppet research project of the Paul Lin collection at the Taiwan Museum and is artistic director of the Taiyang Theatre Company. He holds a Ph.D. in sinology from Leiden University in the Netherlands. He has published widely on Asian puppet theatre and was curator numerous (puppet) theatre related exhibitions around the world. He has written and directed more than 20 modern and traditional Taiwanese (puppet) music theatre productions. He is an honorary citizen of the city of Taipei and recipient of the Prix franco-taiwanais in 2019 for the promotion of Taiwanese puppet theatre around the world.
René Reith
René Reith works as a choreographer, performer and dance scientist in North Germany. He is holding a masterdegree in Staging of the Arts and Media from the University of Hildesheim. As a co-fonder of the artist group systemrhizoma he is working on performances in the fields of experimental object-theatre, contemporary dance, and performance-art. His performances are created from a queer-feministic point of view and also in a strong combination of theory and praxis.
der Prozess von Who’s talking? auf dem Blog
Dem Duft des Frühlings auf der Spur
Die chinesische Puppenspielerin Shasha Li begibt sich auf die Suche nach einer fast vergessenen Tradition des Figurentheaters in der Region Chaoshan im Südosten des Landes. Ihre Dokumentation haucht auch unserer Sammlung neues Leben ein.
Rückblick: Who’s Talking? Sechs künstlerische Blicke auf die Sammlung KOLK 17
Unsere virtuelle Ausstellung Who’s Talking?...
Yacouba Magassouba berichtet aus Mali von den Vorbereitungen für „La Fête au Village“
Die Idee für das Theaterstück "La Fête au...
Mandy Okereke
Mandy Okereke Kunsthistorikerin mit einem B.A....
Markus Posse
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Shasha Li berichtet aus Chaozhou von ihrer Arbeit für „Who’s Talking?“
Ausstellungsvorbereitungen sind immer spannend...
„Who’s Talking?“ und „Kolonialismus und Figurentheater“
Im Jahr 2020 wurde in der virtuellen Ausstellung „Kolonialismus und Figurentheater. Die Fäden entwirren“ der Weg einiger außereuropäischer Artefakte von der performativ verwendeten Figur zum Museumsobjekt nachgezeichnet. Dabei wurde das Themenfeld der (Post)kolonialität aufgeworfen und die eigene Ausstellungspraxis dahingehend kritisch reflektiert.
Bereits hier wurde die Frage, wer über die Exponate spricht und damit potentiell auch neue, ggf. verfälschte Bedeutungen schafft, ansatzweise verhandelt. Das Projekt „Who’s Talking?“ kann deswegen auch als zweiter Teil einer Ausstellungsserie verstanden werden, die sich mit der Verantwortung auseinandersetzt, die eine umfangreiche Sammlung außereuropäischer Figuren mit sich bringt.
Während Teil 1 im Wesentlichen auf Recherchen des wissenschaftlichen Museumspersonals basiert, eröffnet Teil 2 jetzt einen Raum für alternative, kreative Formen der Wissensproduktion. Dieser Prozess Künstlerischen Forschens funktioniert nach anderen Gesetzmäßigkeiten. Er lässt assoziative Herangehensweisen zu und ermöglicht das Erzählen von Geschichten, ohne dabei Objektbiographien umzuschreiben.
Trotzdem kommen dabei Fragen über Aneignung und „Agency“ auf. Bei einem Symposium im Sommer werden diese und weitere Aspekte zum Thema von internationalen Wissenschaftler:innen aufgegriffen. Langfristiges Ziel des Projektes ist es, ein internationales Netzwerk aufzubauen für einen gegenseitigen Wissenstransfer zwischen Figurentheaterspiel und Figurentheaterwissenschaft.


PROJECT „WHO’S TALKING?“
Idea: Antonia Napp, Stephan Schlafke, Sonja Riehn
Concept & project lead: Antonia Napp, Stephan Schlafke
Scientific work: Sonja Riehn
Artistic work: Markus Posse
Artists (in alphabetical order): Irina Demina, Momo Ekissi, Shasha Li, Yacouba Magassouba, Jessica Nupen, Çağlar Yiğitoğulları
Scientists: Robin Ruizendaal, René Reith
Moderatorators (symposium): Caroline Chia, Mandy Okereke
Project coordination: Markus Posse, Sonja Riehn
Contact person collection: Sonja Riehn
Contact person theater: Stephan Schlafke
Marketing & website: Charlotta Becker
Controlling: Marie-Luise Arndt
Translation: Franziska Technau, Astrid Franck, Weimin Kong, Mandy Okereke, Zhao Wei
Guest care: Julika Oberdieck
Depot assistence: Ulrike Sonnenberg, Christine Kebel
Mounting: Stephan Schlafke, Kilian Kreuzinger
EXHIBITION:
Idea & concept: Antonia Napp, Markus Posse in cooperation with Irina Demina, Momo Ekissi, Shasha Li, Yacouba Magassouba, Jessica Nupen, Çağlar Yiğitoğulları
Dramaturgy: Markus Posse.
Visual design & exhibition webseite: visual intelligence Berlin, neesh Hamburg
Marketing/grafic design: Charlotta Becker, Anna Pfau
SYMPOSIUM:
Idea & concept: Antonia Napp, Sonja Riehn
Coordination: Sonja Riehn
Technical realization: Ricarda Motschilnig, David Röthler
Marketing & website: Charlotta Becker
Interpreted: Ostasien Service GmbH Hamburg, Bohmann Übersetzungen