In dieser Adventsspielzeit hätten wir unser DORNRÖSCHEN auf dem Programm gehabt. Als kleiner Trost für alle treuen Zuschauer hier nun ein kleiner Blick hinter die Kulissen dieser Produktion, die wir 2008 auf die Bretter im KOLK gebracht haben. Wir hoffen auf Spieltermine in 2021.
Über das Stück Dornröschen vom KOBALT Figurentheater Lübeck
Zwölf gute Feen bringen dem neugeborenen Dornröschen ihre Geschenke – zwölf menschliche Werte, die, wenngleich inzwischen etwas „in die Jahre gekommen“, nach wie vor äußerst wünschenswert sind. Das Geschenk der dreizehnten, nicht eingeladenen, Fee steht zunächst drohend über dieser Idylle – der 100-jährige Schlaf. Aus diesen Geschenken der dreizehn Feen (auf keinen Fall weniger!) eine Mädchenkindheit und zugleich ein Schloss bauen, war die grundlegende Idee von Silke Technau und Stephan Schlafke: ein munteres Mädchen packt Geschenke aus und baut nach und nach das Schloss seiner Kindheit. Stephan entwarf Geschenkkartons, in denen sich nach dem Aufklappen Treppen, Säulen, Fenster und Nischen auftun. Alles erschien jedoch sehr gerade und statisch.
Mein Vorschlag, dem Ganzen, den inzwischen vorhandenen Figuren entsprechend, durch ungleiche Winkel etwas Traumhaftes, Verwunschenes zu geben, fand sofort Anklang. Damit sich Silke und Stephan ein Bild machen konnten, fertigte ich ein 1:10 Papiermodell an.
Diese Vorgehensweise hatte ungewollt einen großen Vorteil. Dem Origami ähnlich entstanden sehr klare, reduzierte Formen, mit ganz eigenem Charakter. Mit sechs Schlossräumen – immer zwei Feen bringen ein Geschenk – und dem Rosen -Turm der dreizehnten Fee ergab sich die „szenische Struktur“ für das ganze Dornröschen-Märchenschloss.
In jedem der Schlossräume wird nacheinander die Kindheit Dorn röschens erzählt. Nach den Szenen scheinbar achtlos nach hinten weggestellt, ergeben diese Spielorte, allmählich die Schlossfassade. Ein Badezimmer, das die immensen Fluchtlinien einer Babyperspektive verdeutlicht und in der äußeren Fassade gleichsam zum stabilen Turmfundament mutiert, eine Küche, die in der Fassade als stilisierter Topf mit Deckel erscheint, ein orientalisch angehauchtes Ankleide-Turmzimmer, das innerlich und äußerlich einen schwebenden Charakter hat, ein Keller, in dem Dornröschen Mut beweisen muss, und der nicht nur das Reifen des Weins symbolisiert, eine Bibliothek, in der Dornröschen lesen und schreiben lernt und ganze Wände-Seiten umblättert, ein zentraler Ballsaal zum Tanzen mit großen, durchleuchtbaren Operafolienfenstern – und schließlich der Rosenturm der dreizehnten Fee, mit seiner Dornen-Wendeltreppe und dem Schlafmützen- Dach.
Wie das Dornröschenschloss entstand
In diesen verspielten Schlossräumen konnten sich nun die Wünsche, Werte und Eigenschaften der Feen frei entfalten. Entsprechend wurde für die Schlosswände eine reduzierte Farbigkeit im Schwarz-Weiß Bereich gewählt, die den farbigen Figuren eine große Eigenständigkeit ihres Spiels ermöglicht. Das Schloss baute ich schließlich im Verhältnis 1:10 aus Sperrholz. Zahlreiche Helfer waren aber nötig, um bis zum Premierentermin auch die Kaschierung desselben mit grober gerissener Pappe und die Bemalung/Vergoldung zu realisieren.
Vor lauter Schlossbauerei geriet ein wesentlicher Bühnenbildbestandteil fast aus dem Blick: Was wäre Dornröschen ohne eine wachsende Rosenhecke? Diese (und andere Näharbeiten) stellte Denise Puri aus Berlin her. Nach einem Taschenlampengang des Prinzen durch das Schloss – die Operafolienfenster sorgen für die spannende Atmosphäre – wird die Fassade zum Schluss einmal um 180 Grad gedreht.
Nun erscheint das Schlossinnere wie ein großes Puppenhaus. Zusammen mit Dornröschen und dem Prinzen gucken die Zuschauer sich alle Stationen der Kindheit noch einmal an.
Dann will Dornröschen aber in die Welt hinaus, und der Prinz nimmt sie auf seinem qualmenden „Dragonbike“ (weiße Rösser sind nach 100 Jahren längst out) mit. Die Zuschauer bleiben mit Oskar, dem Küchenjungen, der, auch nach 100 Jahren aufgewacht, Dornröschen zum Geburtstag gratulieren möchte, und dem Schloss zurück.
– Ein sehnsuchtvolles Ende der Inszenierung in Lübeck.
Text von Martin Buchin
Regie: Holger Brüns
Spiel: Silke Technau, Stephan Schlafke
Ausstattung: Michaela Bartonová,
Stephan Schlafke, Martin Buchin, Denise Puri, Maria
Malcharczyk, Hildegard Buchin, Katia Diegmann,
Moritz Schmidt
Dornröschen ist ein Stück des KOBALT Figurentheater Ensembles.
Mehr Infos unter www.kobalt-luebeck.de
0 Kommentare