Szenenbild aus "Die Weihnachtsfee" ein Papiertheater
1890 erschien im Verlag J.F. Schreiber das Stück „Die Weihnachtsfee. Zaubermärchen in vier Bildern“ von Hans Bernauer. Bögen mit 13 Figurinen gehörten zum Text dazu. Zu den Kindern Hans und Grete und ihrer Mutter kommen allerlei Sagengestalten, wie u.a. Puck und Elfe, Knecht Ruprecht und die Weihnachtsfee – einmal verkleidet als arme alte Leute und später in ihrer Pracht mit schönem Kleid und Geschenkesack. Die Landschaft ist winterlich verschneit, das Dorf ärmlich.
Alois Senefelder erfand die Lithografie Ende des 18. Jahrhunderts, farbige Drucke waren ab 1826 möglich. Hohe Auflagen zu kleinem Preis ermöglichte das neue Druckverfahren.
Der früh verwaiste Jakob Ferdinand Schreiber (* 6. Februar 1809 in Ulm; † 28. Oktober 1867) erhielt eine gute Ausbildung in diesem neuartigen Druckverfahren und gründete 1831 seinen Verlag, der unter dem Namen J.F. Schreiber Esslingen bis 1988 in Familienbesitz blieb. Er spezialisierte sich auf Druckerzeugnisse für Kinder. Ein großer Bereich waren hier die vielfältigen Bastel- und Modellbaubögen, die nun auch das Papiertheater den bürgerlichen Haushalten erschwinglich und zugänglich machten.
Papiertheater entwickelte sich seit Ende des 18. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Ausdrucksform und verbreitete sich fast überall in West-Europa. Noch heute ist es in England, Frankreich, Deutschland und Österreich beliebt, noch immer kann man nostalgische Reprints der Bilderbögen erwerben. Natürlich werden immer wieder auch neue Formen entwickelt, künstlerisch ausprobiert. Viele Inszenierungen sind künstlerische Unikate. Das Preetzer Papiertheatertreffen ist das größte internationale Forum dieser kleinen Bühnen.
Juvenile Drama hieß seine Frühform in England, heute Toy Theatre oder Model Theatre, Dukketeatret in Dänemark, Théâtre de papier in Frankreich, Teatrini di Carta in Italien und spanisch Teatro de los Niños – Kindertheater. Das war auch die gebräuchliche Bezeichnung zur Zeit seiner größten Verbreitung Ende des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. „Papiertheater“ ist eigentlich die treffendere und neueste deutsche Bezeichnung für dieses Medium, weil hier längst nicht nur Kindertheater gedruckt wurde.brDenn die prächtigen Proszenien, suggestiven Kulissen und Figurenbogen sind auf Papier gedruckt – Papiertheater war ein lukrativer Bereich der populären Druckgrafik – das Theatersouvenir des Biedermeier, des höheren Bürgertums im ausgehenden 19. Jahrhundert. Auch Hanno Buddenbrook besaß ein solches Theater (Thomas Mann hatte vermutlich den „Fidelio“ der Druckerei Scholz vor Augen).
Die Figuren und Bühnenbildteile wurden ausgeschnitten und mit Pappe oder dünnem Holz versteift. Das Proszenium war oft prachtvoll gestaltet, die flachen Pappvorhänge empfanden ‚barocke‘ Samtvorhänge mit Kordeln und Falten nach. Die Figuren wurden mit Stäben von oben oder von der Seite geführt.
Unser Papiertheater ist vermutlich nicht gespielt worden. Das schlichte Proszenium hat der frühere Besitzer aus Holz gebaut und die Kulissen und Figuren des Schreiber-Verlags dort hineingestellt.
Weitere Informationen zum Thema Papiertheater unter www.papiertheater.eu und www.papiertheatertreffen-preetz.de