Im vergangenen Jahr feierte das Puppentheater Zwickau sein 70jähriges Jubiläum und ist damit nur wenige Jahre jünger als die Augsburger Puppenkiste. 40 Jahre lang prägte Antje Hohmuth als Ausstattungsleiterin, gemeinsam mit ihrem Partner Jürgen Hohmuth, das Erscheinungsbild der Zwickauer Figuren und Bühnenbilder. Ende 2011 ging sie in den (Un)-Ruhestand, denn so ganz kann sie die Hände von Ton und Nähmaschine nicht lassen.
Zur Lust und Liebe an ihrer Berufung äußerte sie sich 1988 so:
Hohmuths Arbeiten waren nicht nur auf der Bühne zu sehen. Sie erhielt ebenfalls Aufträge für das Fernsehen der DDR und das Trickfilmstudio Dresden. Nach der Wende machte sie sich in der gesamtdeutschen freien Figurentheaterszene schnell einen Namen.
Für den Schimmelreiter nach Lübeck
Ihr Ruf eilte ihr sozusagen voraus, auch als es zur Zusammenarbeit mit dem KOBALT Figurentheater Lübeck für den „Schimmelreiter“ kam, der 2011 Premiere feierte. Angesprochen auf ihren markantesten Eindruck von Schleswig-Holstein brachte Antje Hohmuth die schmale, gerade Deichlinie ins Gespräch. Puppenspielerin Silke Technau kann sich noch gut daran erinnern, wie sie diese Idee der einfachen Geometrie faszinierte. Daraus entwickelten sich ein Teil der Bühnengestaltung und das Spiel an ebendieser Deichlinie. „Gewöhnen musste ich mich daran, dass wir vorher keine gezeichneten Skizzen der Figuren erhielten, sondern erst die Fotos der Tonmodelle“, erzählt Technau.
Für sie hat die Figurenbildnerin ein erstaunliches, schwer zu erklärenden Gespür für die Mimik ihrer Köpfe. Zu ihren unverwechselbaren Stilmitteln gehören längliche Gesichtsformen und Proportionen, die beinahe grafisch wirken. „Sie schafft die perfekte Gratwanderung zwischen Übertreibung, Karikatur und naturalistischer Darstellung. Ihre Köpfe sind niemals lächerlich oder neckisch. Sie sind eher ernst, und ich kann als Spielerin sehr viel rausholen.“ Silke Technau fällt insbesondere die Verkörperung von Hauke Haiens Tochter ein, die nur ganz wenig Bewegung braucht und der das ungläubige Staunen über die Welt, in die sie geboren wurde, schlicht ins Gesicht geschrieben stehe. „Ich weiß auch nicht, wie Antje Hohmuth das macht, aber es ist fantastisch“, erzählt Technau.
Für den „Schimmelreiter“ entwarf und nähte Hohmuth, die auf der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle Spielmitteldesign studiert hat, stilsicher auch die Kostüme. Ein besonderes Gespür habe sie für Stoffe, was wenig verwundert, wenn man die Kulturgeschichte der Region, in der sie seit langer Zeit lebt und arbeitet, kennt. Der Landkreis Zwickau gehört zum Erzgebirgsvorland und schließt an den Vogtlandkreis im Grenzgebiet von Bayern, Sachsen, Thüringen und Böhmen an. Hier liegen die Zentren einer bis in die vorindustrielle Zeit reichenden Textiltradition. Bis in die 1980er Jahre war die Textilindustrie hier strukturbestimmend. Man denke nur an die weltberühmte Plauener Spitze.
Bereicherung für den KOLK 17-Fundus
Zuhause hatte Antje Hohmuth stets ihr Atelier. Gut verstaut, in Kisten, auf dem Dachboden, lagern noch einige ihrer Schätze. Marionetten, Schattentheater, Fotos, aufwendig gestaltete Programmkarten, aus denen Kinder Angelspiele oder kleine Bühnen basteln können. Behalten will die 75-jährige, was ihr wirklich am Herzen liegt. Die Figuren aus „Der Fischer und seine Frau“ zum Beispiel, die gibt sie nicht her. Von anderen hat sie sich bereits getrennt. Sie bereichern die Figurentheatersammlungen in Dresden und Bad Kreuznach.
Und weil die Verbindung zu Lübeck bereits bestand, reiste im Januar 2023 eine kleine KOLK 17-Delegation ins Vogtland. Mit dabei Silke Technau, unsere geschäftsführende Direktorin Antonia Napp und Theaterleiter Stephan Schlafke, der ebenfalls Puppenspieler beim KOBALT Figurentheater ist. Neben dem „Schimmelreiter“ arbeitete das Ensemble auch bei der Inszenierung „Linie 1“ und ihrem „Schneewittchen“ mit Antje Hohmuth zusammen.
Ein Stück Figurentheater-Geschichte
Eine Vielzahl von Märchen prägt ohnehin das Werk der Figurenbildnerin und Ausstatterin. Einige von ihnen finden nun ihren neuen Platz im Fundus von KOLK 17, darunter Aschenbrödel-Marionetten von 1985, Figuren einer Zwerg Nase-Inszenierung, Dr. Faust, Papierschattenfiguren von Schneewittchen, die nicht ausgeschnitten, sondern gerissen wurden, zahlreiche detaildurchdachte Requisiten. Die Dokumente erzählen von einer kaum stillbaren Schaffensfreude. Wir finden Programmkarten vom „Gestiefelten Kater“ von 1973, an deren Ecke ein Anhänger mit rotem Stiefel befestigt ist oder das Bild eines Figurenkopfes mit einer Haarpracht, die aus unzähligen Mohnkörnern zu bestehen scheint.
Sie erzählen auch mehr als 40 Jahre Figurentheater-Geschichte in Deutschland aus unterschiedlicher Perspektive. Und nicht nur hier, im forschenden Museum, wird diese Geschichte nun aufbewahrt und weitererzählt. Figuren von Antje Hohmuth sind natürlich weiterhin in aktuellen Inszenierungen zu sehen. „Der Schimmelreiter“ gehört zum festen Repertoire des KOBALT Figurentheaters Lübeck, und spätestens im eigenen Haus werden auch „Linie 1“ und „Schneewittchen“ wieder zu sehen sein.